Monday, January 31, 2011

#10, Zirkelschluss

Schlimm, wenn die alten Freunde weggehen.
Schön, wenn sie wiederkommen.

Sunday, January 30, 2011

#197, Café Paradiso

Kneipennamen gibt es ja viele blöde. Vor allem im hippen Teil von Neukölln findet man eine schöne Auswahl von richtig bescheuerten Kneipennamen, da gibt es zum Beispiel die „Kachelounge“, also gesprochen Kachel-Lounge, oder den Laden, der fast einmal „Klick“ geheißen hätte, dann im letzten Moment aber den weit polyglotteren Namen „Gaston“ erhalten hat. Dazu kommen all die Kneipen, deren Namen der aktuellen Unsitte geschuldet sind, zwei Eigennamen zu führen (möglichst die der Besitzer), die sich im Folgenden dann aber natürlich niemand merken kann. Da gibt es in meiner Straße etwa das „Cindy und Bert“, ein bisschen weiter oben am Kanal das „Marianne und Michael“ und Richtung Treptow das „Gitte und Klaus“ mit dem wunderbaren fränkischen Strauss-Bier.
Mein Lieblingsladen ist aber eine Kneipe Richtung Metro, eine Kneipe, in der grundsätzlich nur ein paar Säufer zwischen blinkenden Spielautomaten herumsitzen. Diese Kneipe hieß bis gestern „Café Endstation“, was ich lange nicht anders als ironisch verstehen konnte. Anscheinend ist den Besitzern aber im aufstrebenden Umfeld der Fun-Berliner und Mitte-Flüchtlinge ihr eigener Realismus ein bisschen auf die Nerven gegangen. Der Laden mit seinen drei Säufern und den blinkenden Spielautomaten heißt jetzt „Café Paradiso“ und in den Schildern fliegt sogar ein bunter Papagei.

Saturday, January 29, 2011

#177, Auf Buchstaben pusten (Achim)

Ich habe Johannes besucht, in einer Galerie sitzt er an einem winzigen Schreibtisch, wie ein Ausstellungsstück das die Besucher seiner Bilder neugierig beäugt – um ihn herum beängstigende Tuschzeichnungen, schwarz, grau, mit Schrift durchsetzt und Gesichtern, die aus Fotos in die übermalende Farbe drängen, Schrift in Buchstaben die einzeln gemalt sind, sich verkanten und fügen, voller Haken, teils nur Symbole, Gestalten, bepustet, wie er sagt, als die Farbe noch tropfnass war, so dass sie ausfransen und in das Bild wandern. Ich kenne Johannes und ich weiß wo er war, als er die Buchstaben bepustete, er hat es mir erklärt, und ich stelle mir vor wie er gebeugt über dem Papier hing, pustete und pustete, den Schwindel erlebte, Pausen machte, die Bilder trocknen ließ und schließlich zeigte – vor vielen Jahren. Die Bilder bleiben hier, sagt er, jemand kümmert sich um sie, er hat genug. Die eine Wand hier ist rosa, er wollte das so, der Rest der Galerie bleibt weiß. Er fragt: Wie findest Du die Farbe? Ich liebe rosa, sagte ich ihm, und freue mich über seine Wahl.

Friday, January 28, 2011

#173, Allerweltsgeschichte

Neulich in der Kneipe stehe ich am Tresen, neben mir ein Typ, den ich schon einmal gesehen habe. Er dreht sich zu mir und quatscht mich mit dem ältesten Spruch der Welt an, er sagt: Sag mal, kennen wir uns nicht von irgendwoher?
Fast muss ich lachen, aber trotzdem beschließe ich, ihm noch bis zur nächsten Antwort Zeit zu geben. Na ja, sage ich, wahrscheinlich sind wir beide öfter hier.
Er guckt und schaut und tut, als ob es etwas nachzudenken gäbe und dann überrascht er mich. Nein, er schüttelt den Kopf, wir kennen uns aus der Metro. Aus der Metro? Nicht dass ich wüsste. Er insistiert, als ob ich geantwortet hätte: Doch, doch, ich habe gelesen und du hast mich angesehen und dann bin ich ausgestiegen.
Dunkel, ganz dunkel erinnere ich mich, Allerweltsgeschichte. Er hielt sein Buch in einem Winkel, dass ich den Titel nicht erkennen konnte. Aber das sage ich nicht.
Stattdessen beglückwünsche ich ihn zu seinem guten Gedächtnis. Und mich dazu, vor über einem Jahr einmal erinnerungswürdig geguckt zu haben.

Thursday, January 27, 2011

#67, Heute hier, morgen da

Ich wohne zur Probe, jeden Tag fast, so um die zehn Minuten. Ich durchmesse fremde Räume mit Schritten und überlege, wie man möglichst elegant Einbauküchen loswerden könnte. Ich werfe neugierige Blicke aus Fenstern und abschätzende auf die Personen, die mein Probewohnen durchkreuzen. Habe ich das alles hinter mich gebracht, komme ich zu dem Schluss: Nein, hier möchte ich nicht wohnen.
Und dann gehe ich zurück nach Hause.

Wednesday, January 26, 2011

#198, Cuba-Nachtrag: Viele Kubas

Wir hatten erwartet, dass zwei Wochen ausreichen würden, um uns eine Vorstellung von Kuba zu machen. Doch unser Projekt war ein bisschen kurz gegriffen, denn wir trafen kubanische Gangster in Rapper-Manier, Hausfrauen, die in Ruinen lebten, wir trafen reiche CUC-Kubaner, auch einen katholischen Priester. Und damit fanden wir nicht ein Kuba, eine Wahrheit, an die man sich halten, von der man zu Hause berichten konnte, sondern wir fanden zwei, drei, viele Länder auf dieser Insel.
Die Wahrheit von Jesús war eine, die sich nicht nur auf sein eigenes Land bezog. Der über 70-Jährige ist ein Veteran der Revolution, er hat damals mitgekämpft, das ist verbürgt. Was die aktuelle Weltlage betrifft, ist er erstaunlich gut informiert, wenn man die Nachrichtenleere in den Parteiblättern bedenkt. In seinem Abriss der letzten 50 Jahre strahlt Kuba einen Glanz aus, der die Welt erhellt. Denn Kennedy wurde ermordet, weil er mit Castro paktieren wollte. Und Deutschland, strahlt er, ist noch immer eines der fortschrittlichsten Länder der Welt, weil der kommunistische Teil akzeptiert hat, den kapitalistischen zurückzunehmen.
„Geht und kämpft in euren Ländern für die Revolution,“ gibt er uns nach Stunden mit auf den Weg. Wir nicken, fast schon mit einem Kloß im Hals.

Tuesday, January 25, 2011

#149, Nachtrag Cuba: Blaue Lagune

Im Naturschutzgebiet sind wir die einzigen Badenden am Strand. Kein Wunder, es war nicht einfach, hierher zu kommen. Der Rest der kleinen Insel ist von Mangroven überwuchert, aber hier in der Bucht ist der Sand fein und weiß. Die großen Krebse entfernen sich seitlich, wenn ich baden gehe, die kleinen Krebse ducken sich unter Muschelschalen. Um zu sehen, was auf dem Grund passiert, brauche ich keine Taucherbrille.
Am Strand finde ich Korallen und nie gesehene Muscheln. Lu lacht und sagt, ich benehme mich wie ein Kind. Das meint er freundlich.
Am Abend sind wir noch immer allein. Es ist ganz still, außer gelegentlichem Vogelgezwitscher hört man nichts bis auf das sachte Geräusch des Wassers. Die seichten Wellen flappen auf den Strand, wo sie dazu führen, dass sich die Sandkörner, Steinchen und kleinen Muschelschalen aneinander reiben. Es hört sich an wie flabschwiiiiii, mit einem ganz leise geflüsterten i am Ende.

Monday, January 24, 2011

#118, Nachtrag Cuba: Tugend aus der Not

In Cuba gibt es am Abend nicht viel zu tun, die Straßen sind dunkel, denn das Licht ist teuer, genauso wie der Schnaps. Zum ersten Mal seit Jahren genieße ich tägliche acht bis neun Stunden Schlaf.
Am Morgen erwache ich ohne Wecker, und trotzdem ist es noch früher Tag. Weil es kein warmes Wasser gibt, dusche ich kalt und fühle mich frisch und stark nach dem Abtrocknen.
Das Frühstück ist eine Vitaminbombe, es gibt frisch gepressten Orangensaft, dazu geschnittenes Obst, heute hat die Wirtin Bananen, Ananas und Papaya aufgetrieben.
Von der Zigarette nach dem Essen wird mir schwindelig, entgegen meiner Gewohnheit drücke ich sie aus. Und zum ersten Mal denke ich ernsthaft darüber nach, meinen Lebensstil zu verändern.

Sunday, January 23, 2011

#153, Nachtrag Cuba: Endlich. Die Schöpfer.

Wir fahren über Land. Draußen scheint die Sonne, der Himmel ist blitzblau, in der Karibik ist das der Winter. Die Landschaft ist hügelig, es gibt Palmen, Kühe, später riesige Felder mit Tabak, mit Zuckerrohr, mit Bananen. Menschen sehen wir keine. Mir scheint die üppige Vegetation dort draußen gut gepflegt, ein Garten ohne Gärtner.
Wir fragen uns, wie die Flora im Sommer, nach dem Regen, aussehen mag. Muss man das, was wir sehen, als winterlich karg verstehen? Oder ist die Landschaft im Sommer verbrannt, wie man es aus südeuropäischen Ländern kennt?
Wir fahren stundenlang, und noch immer sind wir nicht einmal am Rand eines Dorfes vorüber gekommen. Stattdessen gibt es weiterhin Palmen, Kühe, riesige Felder mit Tabak, Zuckerrohr und Bananen. Alles menschenleer. Wann wird hier gesät, wann geerntet?
Dann endlich sehe ich zwei Männer. Sie sitzen am Rand eines Bananenhains im Schatten einer Bananenstaude, sie erzählen sich etwas. Bei mir denke ich: Endlich. Die Schöpfer.

Saturday, January 22, 2011

#200, Nachtrag Cuba: Bevor man ankommt

Wer reist, wappnet sich – denn er weiß, dass es gilt, Unbill zu überstehen. Die Verspätung, die unbequemen Sitze, die aberwitzigen Schlangen vor der inmigración: all das nahm ich, als erfahrener Kosmopolit, mit Humor.
Als ich meinen Rucksack neben dem Gepäckband liegen sah, hätte mich der penetrante Geruch nach Olivenöl freilich warnen können. Aber ich hatte einfach nicht damit gerechnet, dass irgendein Trottel ein Bataillon von Olivenölflaschen in seinem Gepäck versteckt hatte, das dann natürlich beim Transport zerbrach. Mein Rucksack war in Öl eingelegt und zog wie eine Schnecke eine glitschige Spur hinter sich her, als ich ihn vor den Flughafen schleifte. Da war nichts zu machen: Eben noch erfahrener Kosmopolit, war ich jetzt bloß noch eine stinksaure Touristin, das Olivenöl hatte sich fest mit der Erschöpfung verbacken und führte dazu, dass ich von Kuba schon genug hatte, bevor ich die Insel überhaupt betrat.
Wir nahmen ein Taxi in die Stadt, Habana, die ich mir lange vorgestellt hatte, konnte mir egaler nicht sein. Wir kamen durch eine Favela, die meine Stimmung nur versinnbildlichte. Dort auf der Veranda probten zwei zwölfjährige Mädchen in kurzen Hosen eine Art Synchrontanz. Sie lachten und stubsten sich gegenseitig.
Ich atmete tief ein: Jetzt konnte es losgehen.

Friday, January 21, 2011

#194, Das Bild mit den Herzen (Achim)

Das Bild mit den Herzen hält mich zum Narren. Drauf sind zehn Herzen, ein Bund Radieschen und eine Rübe, ein paar Linien, die Risse sein könnten, und ein paar krakelige Namen neben Buchstaben - nur ein Herz heißt Herz. Immer wieder nehme ich es ab, öffne den Rahmen und erneuere die Klebepunkte auf der Rückseite. Dann hält es eine Weile, und ich denke schon: Jetzt warst Du gründlich genug. Und dann, nach einem Jahr oder zweien, hat es sich doch wieder gelöst und hängt schief hinter der Glasplatte. Jetzt habe ich genug, ein neues Bild ist da – die Gebrauchsanleitung des Föhns, den ich zum Geburtstag bekommen habe. 15 Jahre habe ich die Haare nicht mehr geföhnt - doch er liegt gut in der Hand und pustet schön kräftig, so dass ich ihn behalten will, auch wenn ich ihn lieber nicht oft benutze. Die Gebrauchsanleitung ist so groß wie der Kunstdruck, ein riesiges Poster voll winziger Schrift, in wenigstens 10 Sprachen die Bedienung für nur drei Knöpfe, einer regelt die Temperatur, einer das Gebläse, und einer geheimnisvolle haarschonende Ionen. Viel Text für nichts, und immer das selbe – das ideale Bild das meinem Spott gerecht wird.

Thursday, January 20, 2011

#73, Reise hinter einen Sessel (Achim)

Der Ofen ist zu heiß geworden, denn ich habe die ganzen schlechten Kohlen, die ich noch hatte, auf einen Schlag hineingeworfen. Jetzt ziehe ich den Sessel ein Stück weg, beuge mich über die Rückenlehne, greife nach den Büchern die dahinter verstauben und kippe mit dem ganzen Ding um. Ich lande in Japan, in Zeichenlernbüchern und klassischer Prosa . Den „Lob des Schattens“ finde ich wieder und bleibe gleich liegen, so wie ich fiel.

Wednesday, January 19, 2011

#200, Die Schönheit einer rissigen Fassade (Achim)

Zwar könnte ein Text schön sein, der den Blick auf das Lebenswerte richtet – doch noch lieber möchte ich Haken schön finden, die das Leben nicht nur schlägt, sondern es zu zerreißen drohen. Eine alte Frau die zu Kriegszeiten mit Künstlern befreundet war, die mit einem oder zwei Beinen im Knast saßen, sagte mir, ich soll Mut haben und bloß nicht den Mund halten. „Man kann es überleben!“ sagte sie, und sah mich an. Und eine Bekannte sagte, ein Gedicht, dass um einen Fehler kreist, könne sehr wohl gelungen sein. Gemeint war erst mal nur ein Fehler in der Form, der den gebildeten Leser verärgern könnte, um ihn auf den zweiten Blick in das Gedicht hinein zu ziehen.. Vom Klettern kenne ich Klemmkeile: Man steckt sie in Spalten und zieht an ihnen – unter Zug sitzen sie fest. Ein Kletterer sieht sich die Wand an, sucht nach Spalten, plant die Route. Ähnlich betrachte ich die Fassaden der Altbauten: Wo sind noch Einschusslöcher vom letzten Krieg, wo Nistplätze für Spatzen, wo bröckelt und wo glänzt sie und wo hat sie über die Jahre Würde behalten. Als Knabe wollte ich die Felswände hoch – jetzt genügt der Blick auf die Fassade um unruhig zu werden.

Tuesday, January 18, 2011

#199, Die Schönheit oberflächlicher Frauen (Achim)

Wer glaubt, oberflächliche Menschen seien stumpf, der irrt. Die Oberfläche ist Stumpf nur für Menschen, die nicht oberflächlich sind, oder nicht wissen, was es heißt, oberflächlich zu sein. Die Oberfläche ist der Ort der Berührung. Nur wer empfindsam ist findet gefallen an ihr, und wer sie liebt ist ihrer Schönheit ergeben. Immer wieder treffe ich Menschen, die in ihrer ganzen Art den Eindruck erwecken wollen, nicht oberflächlich zu sein. Sie wollen zeigen, wie sehr sie sich bemühen eine Sache zu durchdringen, ja dass sie sogar ganz unter dem, was ertastbar ist, zu Hause sind. Sie wünschen man möge sie dort wähnen, dort wo sie glauben, Schönheit und Wahrheit seien näher beisammen. Das ist Unsinn, denn die Wahrheit ist sichtbar, und schön nur am Licht, an der Oberfläche, am Ort der Berührung. Manchmal, selten, treffe ich jemanden, der fast zur Entschuldigung gesteht, oberflächlich zu sein, nur, damit mein Eindruck nicht in die Irre geleitet wird. Ich hoffe sie wünschen jemanden zu treffen, der die Neigung zu dem, was die Sinne erfüllt, genauso kennt wie die Abneigung darunter unnötig zu wühlen. Ich werde rot und lade sie ein, nur um zu ertasten, was möglich ist, und wohin die Blicke uns lenken.

Monday, January 17, 2011

#199, Listen (Achim)

Immer wieder bekomme ich Listen von Platten. Ich meine keine mit dem Computer erstellten Tabellen, sondern solche, die in den 50er und 60er Jahren modern waren, Listen, die eigentlich Verzeichnisse sind, mit der Schreibmaschine getippte Karteikarten die ein mürber Gummi zusammenhält, oder Ordner, die Adressbüchern ähneln und in die die Titel eingetragen sind, dazu stets Nummern, die als kleine goldene Aufkleber auch auf den Platten zu finden sind. In dieser Reihenfolge standen sie im Regal, meist so, wie sie gekauft wurden, Schlagerplatten, Karneval, die schönsten Werke von Beethoven, die Platte mit den Herrenabendwitzen, die eine aus dem Urlaub in Griechenland, und die zwei für Weihnachten. Wurde eine Platte angeschafft, wird einer in der Familie die Schreibmaschine auf den Tisch gestellt und mit der Platte in einer Hand die Liste ergänzt haben. Die Platten zu solchen Listen sind fast immer ungenießbar, aber die Listen selber, die sind schön. Sie zeigen eine eigene Handschrift, eine Art spießiger Fürsorge, die aus heutiger Sicht lächerlich scheint. Registriert und fügsam, so enden die Platten im Schrank – ein sinnloser Anstand, der da ans Licht kommt. Dennoch fällt es mir schwer, die Listen wegzuwerfen – die Platten will ich nicht, aber die Listen, die will ich sammeln.

Sunday, January 16, 2011

#200, Pass mal auf! (Achim)

Der eine in Rente weiß Rat: „Pass mal auf, ich erklär es Dir!“ fängt er an und erzählt eine Geschichte die er erlebt hat. „So. Und dann machst de ...“ sagt er mehrmals, wie der Chef der den Lehrling einweist – der Lehrling bin ich. In der Regel habe ich ihn nichts gefragt, und in der Regel hat die Geschichte die er erzählt nichts mit dem zu tun, womit ich mich grade beschäftige. Er könnte auch sagen: „Hey Achim, komm mal her, ich habe Langeweile und will Dir was erzählen!“ - doch ein Rat scheint ihm willkommener zu sein. Seit einigen Wochen lasse ich ihn nun ausreden, und er knüpft geschickt Rat an Rat an, wie Geschichten in Serie - sie fügen sich langsam, wie im Fernsehen, und ich erkenne Hauptfiguren und wesentliche Verwicklungen wieder. Wenn das Gespräch stockt und ich es mit „der Dings ...“ wieder aufleben lasse zieht er mit, „ja, genau, wie heißt er noch gleich?“ Manchmal fällt ihm ein Name ein, einer den ich auch kenne, und er erzählt weiter, rückt ein Stück näher an mich ran, spendiert einen Kaffee und strahlt, als hätte er keinen Rat gegeben, sondern eine Schönheit aufgesagt, eine, die in Erinnerung bleibt.

Saturday, January 15, 2011

#199, Abschminken (Achim)

Die Schönheitssalons an denen ich vorbeispaziere sind voller Menschen, die ich lieber ohne Schminke treffen möchte, die aber nur mit Fett und Lack auf Haut und Nägeln bereit sind mir gegenüber zu treten. Einige fühlen sich nur so in ihrer Schönheit sicher, sagte mir mal eine in Lippenstift – andere halten sich Blicke die anziehen sogleich auch auf Abstand. Da ich nun selber in einem Schönheitssalon arbeite und Schminke zu meinem täglichen Brot gehört, weiß ich kaum noch wie ich mich retten soll. Schminke überall, die Föhnhaube dröhnt und die Bude ist überhitzt und riecht nach Puder. Als Feind des nur Hübschen scheine ich in eine Hölle geraten zu sein, und bin drauf und dran mir einen Weg ins Freie zu sprengen. Nun sitze ich hier, habe den Job und die Affäre, und muss mich umsehen, nach Arbeit die mir liegt. Ganz in der Ecke, hinter der Trennwand, könnte ich einen Stuhl stellen, ein Service für den Feierabend: Abschminken, ganz professionell. Und noch lieber will ich ran an die Schaufenster, Bilder malen, so wie der Spruch, die Telefonnummer mit Lippenstift auf den Spiegel gemalt, von der Frau die ich eigentlich ansprechen wollte - Schminke ist schön in den richtigen Händen.

Friday, January 14, 2011

#192, Schön und hübsch artig (Achim)

Ein Politiker sagte mal, er will seiner Partei helfen, die Deutungshoheit von gesellschaftlichen Schlüsselwörtern zu erringen, also was Freiheit, Armut und Macht heißen soll. Er steht am Pult, vor der Partei, und greift nach Wörtern, will sie an sich reißen, um die Macht der Partei zu sichern, Wörter wie Regeln im Dienste der Macht wissen. Wie man nach Wörtern greift weiß ich nicht, aber ich weiß das ich den Zipfel den ich an ihnen halte nicht hergeben will. Einige habe ich lieb gewonnen, und das was sie schön macht könnte in der Faust eines Politikers erblassen. Ich hoffe allerdings, dass der Politiker am Pult die Fügsamkeit der Wörter, nach denen er greifen will, überschätzt, und dass sie in Regeln der Macht gezwängt nicht hübsch artig und gefällig klingen wollen, sondern schlichtweg noch immer auf eine widerborstige Art schön sein können. In der Faust des Politikers sind Wörter schön, die sich winden und ihre Kraft zeigen, und hübsch sind sie, wenn sie ihm schmeicheln. Schön, nicht hübsch, so will ich sie treffen, will gar nicht ringen, nicht mit der Faust, nicht um die Hoheit, nur um die Schönheit, und gar nicht hübsch artig.

Thursday, January 13, 2011

#197, Irgendwohin fahren (Achim)

Da muss nur jemand sagen: Ich fahre nach Frankfurt – und schon fahre ich mit, bin ihm gar voraus, und spaziere dort, wo meine Erinnerung ihren Ort hat. Einmal lief ich durch Paris, eine Nebenstrasse entlang, vorsichtig, um nicht gesehen zu werden, von jemandem, der grinst und weiß, was mich hierher treibt. Einmal lief ich durch London, durch Köln, durch Barcelona , nur weil dort etwas ist an das ich mich erinnere, das ich gelesen habe, ein Satz nur, ein Platz über den der Romanheld schlendert, der Strand weit hinten an der Dublin Bay, nichts weiter, nur diese paar Schritte, und wenn ich dort schlendere bleiben die Glieder oft steif und ich verziehe mich schleunigst in das Museum das sein muss. Wäre ich in Cuba wollte ich von den Wellen an einer hässlichen Betonstrasse nass werden, und wäre ich in New York suchte ich das Ende des Broadways. Morgen fährt jemand nach Wien, und ich will mit, bin schon da, stehe an der Ecke, betrachte die Gegend und halte die Hände in der Tasche, um unsichere Bewegungen zu vermeiden. Mein Gegenüber fragt: Kennst Du denn Wien? Nein, kaum, ist Jahre her. Eine Postkarte kam neulich, sonst lange nichts.

Wednesday, January 12, 2011

#197, Weihnachtsbaumabfuhr (Achim)

Auf den Gehwegen liegen die Weihnachtsbäume. Heute habe ich gesehen wie sie abgeholt werden. Ich dachte an ein Ungetüm, eine Schreddermaschine welche die Bäume wie Spagetti einsaugt, mit garstigem Knattern verschlingt und sogleich als Mulch wieder auswirft, und an Arbeiter mit Gartenhandschuhen und Ohrenschutz, die sich Kommandos zurufen und schwer gängige Hebel bedienen. In Wahrheit sammelt sie ein einfacher Laster mit einem Greifarm, der an einer Straßenkreuzung parkte. Die Arbeiter zogen aus allen Richtungen die Weihnachtsbäume neben den Laster, schön langsam und vorsichtig, damit sie nicht in den Speichen der Fahrräder hängen bleiben. Sie zogen an der Spitze, der Baum folgte, und dann, als sie alle beisammen hatten, machten sie eine Zigarettenpause. Hätte auch ich geraucht hätte ich noch sehen können, wie der Greifer einen Baum nach dem anderen in die Luft hebt, auf der Ladefläche loslässt und der Laster dann weiter zur nächsten Ecke fährt, wo das Spiel von neuem beginnt. Viele Bäume passen nicht auf den Laster, vier oder fünf Ecken vielleicht, gepresst höchstens acht. Sie sammeln die Bäume als wollten sie sie lebend, und pflanzten sie ein für das kommende Jahr - und ich sehe zu und staune und will mich glatt täuschen lassen.

Tuesday, January 11, 2011

#200, Die Grenzen des Schwäbischen Reiches (Achim)

Als Kind habe ich gelernt die Schwaben zu hassen. Sie wohnten nördlich von Kempten und waren für die Autoschlangen durch das Allgäu verantwortlich, insbesondere die nach Füssen hinein. Nur ihretwegen musste eine Umgehungsstrasse her. Wären sie in Schwaben geblieben hätten alle ihre Ruhe. Die nördliche Grenze des schwäbischen Reiches kannte ich nicht - sie lag ebenfalls nördlich von Kempten.

In Berlin habe ich sie gefunden, die nördliche Grenze: Die Bornholmer Strasse. Ich lebe knapp hinter der Grenze und liebe das Niemandsland, den Schuttberg namens „Brenner“ und die eine Stelle am Hang, von der man damals den Westen sehen konnte. Südlich wohnen die Schwaben mit Kinderwagen und harter Faust, nördlich die giftigen Kassiererinnen mit Berliner Schnauze. Seit Jahren laufe ich hier nachts Streife: Die Grenze ist sicher. Im Niemandsland stehen alte Botschaftsgebäude, die nach Jahren des Leerstandes nun neu gestrichen wurden. Die Fahnenmasten stehen noch. Zum Mauerstreifen nach Westen hin ziehen sich Kleingärten, und nördlich der Esplanade beginnt der Osten, das Gebiet, von dem die Schwaben erzählen sollen, wenn sie gen Süden fahren. Mitten im Niemandsland steht die Cubanische Botschaft, versteckt und vital, und nur wer nach Cuba will verirrt sich hierher - eine friedliche Ecke, einladend grau, still und vergessen.

Monday, January 10, 2011

#38, Shoppingtour (Achim)

Im Sessel sitzen, aufschrecken, zur Tür gehen, öffnen, guten Tag sagen, Kiste dirigieren, Geld suchen, artig danke und auf Wiedersehen sagen, Platte rausfischen, auflegen, wieder in den Sessel setzen, den nächsten Tag planen, lauschen - Genug für heute.

Sunday, January 9, 2011

#153, Richtig Jodeln (Achim)

Der Typ war wieder da – er sammelt Jodelplatten. Nicht dieses volkstümliche Zeug, nein, richtige Jodelplatten, alte Folkmusik aus den Staaten und sonderbare Ozeanische Ethnoplatten. Das Spiel geht immer so: Ich zeige ihm eine Platte, und er jodelt mir vor, wie sie klingt. Die Leute um uns gucken verdutzt, schütteln den Kopf oder lachen, bleiben jedenfalls stehen, und manchmal bekommt er Applaus. Danach erklärt er, weshalb die Platte, die ich ihm zeige, gut ist oder auch nicht – und ob er sie kaufen möchte oder nicht. Mittlerweile habe ich tatsächlich ein Gespür für gutes Jodeln entwickeln können, denn wenn ich zu Hause Jodelplatte auf den MK2 lege stelle ich mir vor, er stände neben mir und würde das was ich höre noch mal nachjodeln – und dann den Daumen nach oben oder unten richten. Und wenn er kommt kann ich ihm stolz die Neuzugänge zeigen. Er jodelt, wir nicken beide, und er zieht glücklich von dannen.

Saturday, January 8, 2011

#178, Kaiserschmarrn (Achim)

Heute habe ich gelernt, dass Vanillezucker gar nicht aus Vanille und Zucker besteht, sondern aus Zucker und einem Aromastoff der aus Abfällen der Papierherstellung gewonnen wird – dieser Stoff ist billiger und schmeckt viel stärker nach Vanille als Vanille. Warum auch nicht, dachte ich, schließlich hat Eigelb mehr Eiweiß als Eiweiß. Zu meiner Verwunderung fand ich echte Vanille im Supermarkt – zwei Schoten für einen Euro. Ich griff zu.

Zuhause schalte ich den Quirl ein und schlage das Eiweiß steif, rühre den Teig an mit dem Eigelb, Sahne, Mehl, Salz und Zucker, schabe das Mark aus der Vanillestange und gebe es in den Teig – er riecht gut, besser als bisher. Noch ein paar Rosinen, dann Butterschmalz in die Pfanne, den Eischnee unter den Teig heben, sofort rein ins heiße Fett, und dann auf den Rand achten – wenn er Braun wird wenden, aufgehen lassen, reißen, teilen, mit der Hitze spielen, weiter reißen, den Schmarren auf den Teller, Apfelmuss und Puderzucker, fertig! Wäre Vanille immer aus Vanille wäre Vanille unbezahlbar! Dem Abfall der Papierfabrik verdanke ich heute meinen Nachtisch. Ich liebe Papierfabriken!

Friday, January 7, 2011

#108, Wie die Welt lachend untergeht (Achim)

K. ruft an und erzählt vom Weltuntergang – wie die Menschen mit Geld die Menschen ohne Geld ausbeuten, wie Firmen nur Müll erzeugen, wie der Müll am Strand liegt, wie im Meer die Korallen sterben, wie die reichen Menschen verdummen und ihre Arbeit vergeuden und die Armen mit ihren Einfällen zum Amt tigern müssen. Nach jedem Satz lacht er – was für ein Aberwitz! Geld als Instrument der Macht, Waren als Fetisch, Menschen denen ihre Umwelt fremd wird – mit K. zeigt der Wahnsinn den er beschreibt noch Humor. Ich habe Lust mit ihm auf der Lauer zu liegen, wenn er versucht ihn herauszukitzeln: wenigstens lachend abzuwinken soll nicht umsonst sein.

Thursday, January 6, 2011

#169, Revolution (Achim)

Hühnerbrust mit Rotkohl und Bandnudeln – nur der Rotkohl muss noch in den Topf. Ich platziere den Dosenöffner, ein altes Teil, ein Rädchen, ein Gelenk, ein Dorn und ein Knauf, und schlage beherzt zu. Ein Schmerz durchzieht den Daumenballen – ich habe den stumpfen Knauf auf den Dosenrand gelegt und den Dorn nach oben zeigen lassen – in diesen rammte ich meine Hand. Erstaunt betrachte ich die Wunde: Müsste der Schmerz nicht stärker sein? Wo bleibt das Blut? Wie ist das möglich: der Schlag hätte den Dorn in die Dose gerammt – und meine Hand zeigt nur einen kleinen blauen Punkt der sich das Blut verkneifen kann. Ich entscheide mich gegen Rotkohl aus der Dose, öffne die untere Schranktür und werfe alles in Dosen in den Müll – und obendrauf den Öffner, als ein Geschenk des neuen Jahres. Und heute Abend, wenn ich M. treffe, werde ich sie noch mal nach dem Rezept für Rotkohl fragen, und ob sie zum Essen kommen will, morgen vielleicht, nur gesunde Sachen, frisch und mit neuem Schwung gekocht.

Wednesday, January 5, 2011

#199, Einmal Gerüstbauer sein (Achim)

In den Bäckereien sitzen morgens um Zehn die Arbeiter und essen Schrippen. Sie kennen die Angestellte - und sie wiederum kennt die Jungs vom Bau, scherzt mit Ihnen und antwortet spitz auf derbe Flirtattacken. Sobald ich an der Reihe bin ändert sich ihre Miene – aus meinem Mund scheinen die Wörter wie „bitte“, „eins“, „zwei“, „Schrippe“, „Vollkorn“ eine völlig neue Bedeutung zu haben. Sie lauscht und hält die Hand an das Ohr, und fast immer muss ich meinen Wunsch wiederholen. Hinter mir hält schon ein Gerüstbauer seinen Scherz parat, und schon wenn sie mir die Schrippen reicht ist ihr Gesicht bei ihm. Gestern hatte ich Arbeit, zwanzig Kisten Platten, irgendwo am Niederrhein. Auf der Rückfahrt mache ich Rast, betrete eine Bäckerei in einen Supermarkt in Rheinberg, bestelle Kaffee und zwei Brötchen – und siehe da, ich ernte ein frohes Gesicht. Am Tisch sehe ich mit müden Armen den Leuten an der Kasse zu, versuche herauszufinden, wer Arbeiter ist und wer nicht, und wen die Kassiererin auf Anhieb verstehen wird - so wie bei Touristen, deren Heimatland ich erraten will. Ich bin müde, aber gelassen, und seit langem mal wieder sicher: Die Angestellte wird mich verstehen, wenn ich einen zweiten Kaffee will.

Tuesday, January 4, 2011

#189, Auf das Lesen

Soweit ich mich an meine Kindheit erinnere, erinnere ich mich darin lesend. Ich weiß, ich habe als Kind auch andere Dinge getan: Verstecke im Wald gebaut, Kröten wieder belebt, einmal hätte ich fast das Haus abgefackelt.
Aber im Großen und Ganzen glaube ich, mehrere Jahre einfach verlesen zu haben. Freundschaften gingen daran zugrunde, dass meine Grundschul-Freundinnen lieber spielen wollten, als stille Lesezirkel abzuhalten.
Über Literatur zu sprechen fand ich dagegen immer albern; ich war eine höchstens mittelmäßige Germanistik-Studentin, geradezu unwillig im Zerstückeln der Texte. In diesen vier Jahren habe ich die Bücher beiseite gelassen und bin lieber auf Partys gegangen.
Dagegen war ich eine recht gute Buchhändlerin. Zwei Drittel der Bücher in meinem Laden kannte ich und konnte sie nach rein lese-praktischen Gesichtspunkten beurteilen, man liest sich schnell ein, es zieht sich zunächst etwas, es hat ein überraschendes Ende, oder: der Autor hat eine wunderbare Sprache.
Heute lese ich wieder zum Vergnügen. Ich lese, wenn ich mich nicht mehr aushalte. Wenn ich mich entspannen will. Wenn ich auf der Suche nach Inspiration bin. Andere Leute gehen zum Analytiker, zur Yoga-Klasse, nehmen Drogen: Ich lande immer wieder bei den Geschichten.

Monday, January 3, 2011

#145, Mira la que viene allí

Seit Wochen fragen mich die Leute: Und, freust du dich schon auf den Urlaub?
Urlaub, ja, klar, dachte ich, aber da war Weihnachten, Silvester, ich hatte zwar Winter-Ferien, aber auch allerhand Anderes im Kopf. Eine richtige Vorfreude jedenfalls wollte sich nicht einstellen, und das, obwohl ich seit Jahren keine richtige Reise mehr gemacht habe und Kuba seit langem schon das Ziel war.
Vielleicht bin ich abgestumpft, dachte ich, während das Abflugdatum näher rückte, vielleicht hast du im Fernsehen zu viele Palmen gesehen.
Als ich heute Morgen um 07.15 aufstand und mich nach den Winter-Ferien für die Arbeit fertig machte, Rock, Mascara, Unterlagen, hatte ich plötzlich eine Vision: Ich sah mich im Flugzeug sitzen, Richtung Karibik. Am Donnerstag.
Und da begriff ich, dass eine Voraussetzung für die echte Urlaubsvorfreude unbedingt die Arbeit ist. Seit heute Morgen pfeife ich kleine Salsa-Melodien. Komisch, wie die Dinge so zusammenhängen.

Sunday, January 2, 2011

#196, Erste Zigarette (Achim)

Das ganze Haus taut und tropft. Gestern noch hingen Eiszapfen an den Fensterbrettern, und wer in den Hof wollte und in der Tür nach oben sah blickte direkt in deren Spitzen. Nachts, nach der Knallerei, hörte ich das tauende Haus wieder, das Klatschen der Tropfen zwischen letzten Böllern, und ab und an ein Krachen, wenn einer der Eiszapfen sich löste und in den betonierten Innenhof stürzte.

Heute nun tropfen nur noch die Stümpfe, die Eiszapfen sind verschwunden, ein paar zerborstene Reste tauen auf dem Boden. Ich öffne das Fenster und heize den Ofen, lausche den Knistern der Holzscheide und den vom Hall der Wände im engen Hof verstärkten Klatschgeräusch der Tropfen. Das Haus klingt wie ein Baum, unter dem sich durch die langsam von Blatt zu Blatt gleitenden Tropfen noch eine Weile der Eindruck eines ausklingenden Regens hält. Und dann, kaum vom Geräusch der Tropfen zu unterscheiden, höre ich ein Klicken. Ich kenne es schon, es ist das Klicken eines Feuerzeugs: Die Nachbarin steht unten in der Tür zum Hof und zündet sich die erste Zigarette des neuen Jahres an. Einen Augenblick noch, und der Rauch ihrer Zigarette wird hier in der Wohnung zu riechen sein.

Saturday, January 1, 2011

#170, Januarnachmittag

Ich stehe auf der Straße und weil ich nichts Besseres zu tun habe, betrachte ich den Stromkasten, der als schwarzes Brett benutzt wird. Anschläge, Poster und Werbung werden hier seit Jahren übereinander gepappt, dann reißt mal wieder jemand die ersten Schichten ab, bevor er wieder etwas obenauf klebt, das dann jemand Anderes nach ihm wieder abreißt und durch Eigenes ersetzt.
Gerade aber gibt es kein aktuelles Poster, das die Anderen überdeckt. Stattdessen kann man in die Schichten der vergangenen Events hineinsehen, an den bunten Fetzen lassen sich die Monate abzählen wie Ringe in einem abgeschnittenen Baumstumpf.
sunken treasure / Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge / DJ / homemade chili and apple pie / enchanted evening / castor schottern / Sprengstoff recording / Party!
Das alles ist im letzten Jahr passiert und ich war nicht dabei. Muss ich auch gar nicht, ich mache meine eigenen Sachen, die brauchen keine Werbung. Schön ist aber, dass die Anderen so vielfältige Interessen haben, für das neue Jahr nehme ich mir vor, den Castor zu stoppen und ein Apfelkuchenrezept zu lernen.