Thursday, December 2, 2010

#200, Wie Schnee wirklich ist (Achim)

Ich liebe den Schnee, und ich liebe es, meinen Blick in den Flocken taumeln zu lassen, mein Alter zu vergessen und mich wie ein Greis zu fühlen, der mit den Augen eines Kindes aus dem Fenster sieht. Vor Jahren weilte ich für einige Wochen in einem Hof am Forgensee. Es war Ende März und die Bauern schmissen den Kuhmist auf den schmelzenden Schnee, damit er mit dem Tauwasser gemächlich in die erwachende Grasnarbe ziehen konnte. Ich lief auf den Feldwegen und suchte ein Wort, eines, das sagt, wie Schnee ist. Schnee ist weiß, kalt, er knirscht unter den Füßen, ist nass oder trocken, alles mögliche fiel mir ein. In der Stube machte ich eine Liste der Wörter, alle richtig, aber beliebig, unvollständig. Die Suche zog sich hin, zwei Wochen schon lief ich grübelnden Schrittes die Feldwege entlang. Ich erinnerte mich an eine Stelle in einem Buch, ging in die kleine Buchhandlung in Füssen, sah das harte Gesicht der Verkäuferin, die Postkarten, Bildbände und Wanderkarten. Ich rief einen Freund an, dirigierte ihn durch mein Regal, und er las: „Der Schnee ist tröstlich“ ich atmete auf, das ist das Wort! Es schneit wieder, und ich weiß, ich werde schlafen wie ein Stein.

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