Saturday, May 8, 2010

#158, Die Bienen meiner Mutter

Auf der Terrasse meiner Mutter steht ein Tisch, in dem ein kleines Bienenvolk wohnt. Hier sitzt meine Mutter, liest, arbeitet, wirft beim Lachen den Kopf in den Nacken. Meine Mutter grämt sich noch immer, weil sie als 13-Jährige den Namen des amerikanischen Schlagersängers Pat Boone falsch geschrieben hat, Pet Bun hat sie daraus gemacht. Aber zum Glück, sagt sie, hatte ich damals kein Geld für die Briefmarke, der Brief wurde nie abgeschickt.
Meine Mutter erzählt ihre Geschichten, keine einzige davon ist erfunden. Sie billigt meine Wahl (sie weiß auch: sie hat keine andere Möglichkeit), aber duldsam ist sie nicht. Nicht mehr.
Von diesem Tisch aus führt sie ihr Matriarchat wie eine griechische Göttin, nicht weise, nicht abgeklärt, sie schleudert ihre Blitze gegen diejenigen, die uns nicht wohlgesonnen sind. Hier versammeln wir uns und ertränken die Nachmittage in literweise Kaffee.
Meine Mutter sitzt an ihrem Tisch, sie spricht mit der Sonne, immer umgeben von einer Aureole aus schwirrenden Bienen.

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