Saturday, June 26, 2010

#196, Cyberspace

Vor gut zwanzig Jahren besuchte ich mit anderen Jugendlichen ein Forschungszentrum, um die damals angesagte künstliche Intelligenz kennenzulernen. In einer Abteilung konnte man sich eine spezielle Brille aufsetzen und durch künstliche dreidimensionale Bürokomplexe wandern.
Vor einigen Jahren kamen Bagger und Arbeiter und bauten Häuser dieser Art gleich hier im Olivenhain. Ein Komplex aus Reihenhäusern, Parkplätzen, Pools, Grünflächen, Bänken, Zäunen, Straßenlaternen, Palmen und Pollern entstand. Ein großflächiges Schild mit einem Luftbild wurde an der Zufahrtstrasse zum Ort errichtet. Die Häuser dienen als Investition, heißt es. Ein Fachmann erklärte, dass ihr Wert schneller steigt als die Zinsen das Geld mehren können – manchmal übersteigt der Wertzuwachs sogar den Zins für aufgenommene Kredite. Wer reich werden wollte, lieh sich Geld und kaufte ein Haus.
Jetzt stehen die Häuser da, alle unbewohnt. Die Siedlung gleicht einer Geisterstadt, frisch aus dem Cyberspace. Damals vor zwanzig Jahren durfte nicht jeder die Brille aufsetzen, dazu reichte die Zeit nicht. Der Büroleiter vertröstete mich und ermunterte die Gruppe, Informatik zu studieren. Jetzt, nach zwanzig Jahren, kann ich durch die Siedlung laufen, auf einer Bank sitzen, mich sonnen und die Zeitung lesen – so wie ich will. Ich bin stolz darauf, es so weit gebracht zu haben.

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