Friday, June 18, 2010

#200, WM-Zehen


Um es kurz zu machen: Fußball ist mir gleichgültig. Was mir dagegen nicht gleichgültig ist, ist die Fußballwette, die ich mit meinem Bruder laufen habe, schließlich habe ich fünf Euro gesetzt.
Das Spiel heute, Deutschland-Serbien, konnte ich nicht sehen, weil ich noch arbeitete. Gehört allerdings habe ich es, oder zumindest hörte ich das Publikum im Straßencafé unten dreimal laut werden. Einer der Schreie ließ sich eindeutig als Laut der Enttäuschung identifizieren, ein Tor für Serbien. Die beiden anderen blieben unklassifizierbar, ich wusste nicht, wie man in Mitte ein deutsches Tor feiert. In Neukölln hätte ich das Ergebnis zweifelsfrei erhören können, aber vielleicht, dachte ich, jubelt man in Mitte verhaltener.
Nach Feierabend hätte ich fragen können, etwa einen der drei Jungs, die mit Deutschlandshirts und undurchschaubaren Gesichtern auf die Metro warteten. Aber ich wollte das Ergebnis erraten, erlauschen, erschließen, auch ich habe sportlichen Ehrgeiz.
Also musste ich warten, bis die Frau mit den schwarz-rot-gold-lackierten Zehennägeln ans Telefon ging. Noch während sie die Frage ihres Gesprächspartners „Das Spiel?“ wiederholte, gaben mir ihre Zehen, die sich ein ganz klein wenig verkrampften, die Antwort.
Und da war ich plötzlich stolz, irgendwie, auf diese drei Jungs vom Bahnsteig, die eine Niederlage mit Haltung ertragen konnten.

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