Wednesday, July 7, 2010

#195, Glückstag (03.07.2010)

Der Unterzucker treibt mich aus dem Haus, zum Supermarkt. Bis eine Stunde nach dem Spiel habe ich den Einkauf herauszögern können, und nun stehe ich auf der Strasse, geduckt, und versuche zwischen den Fahnen, hupenden Autos und aufgerissenen Mäulern hindurchzukommen. Schon gleich nach ein paar Schritten sehen mich die Nazis in der Kneipe nebenan. Einer ruft: „Aufrecht gehen, wir haben gewonnen!“ – ich lasse das Kinn fallen, schleiche schneller. Natürlich wissen sie wer ich bin, und natürlich wissen sie, dass ich nicht auf den deutschen Sieg gesetzt habe. Ich habe Glück, sie sind guter Laune und machen nur ihre Späße, lachen, tuscheln ein wenig, meinen mich, vielleicht, vielleicht nicht – und ihre Hunde bleiben im Schatten. Hätte Deutschland verloren, hätte ich nicht die Stunde warten müssen, hätte keine Fahnen erwartet, wäre aufrecht auf die Straße getreten, und die Nazis im Blick hätte ich ein stolzes Lächeln gewagt. Die Hunde hätten mich gewittert, und die Meute wäre aufgestanden, nur einer bliebe, um das Bier zu bewachen, und dann wären sie hinter mir her, ich weiß es, denn ich kenne meine Nachbarn, ihre Hunde und ihre Narben. Heute ist mein Glückstag – mehr als Spott habe ich nicht zu befürchten.

2 comments:

  1. Das ist ein ganz, ganz komischer Text.

    "Die Nazis"?! Hm?

    Wo treibst Du Dich denn rum?

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  2. wenn du mal guckst: nicht alle beiträge sind hier von derselben person. d.h. nicht alle leute leben im selben viertel.
    vielleicht möchtest du ja auch mal einen text schreiben?

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