Saturday, July 24, 2010

#198, Der weiße Laden

In der Weserstraße passiert allerhand. Manche nennen sie eine Simon-Dach-Straße-für-Arme, aber das ist nicht ganz korrekt. Denn die Weserstraße ist gerade dabei, sich selbst zu erschaffen. Sie lässt sich dabei zusehen.
Und manchmal, wenn ich eine Weile nicht recht hingeschaut habe, überrascht sie mich mit einem Konzert hier, einem Event da, einer, zwei, drei neuen Kneipen.
Der weiße Laden dagegen verändert sich nicht. Seit Jahren sehe ich durch die große Scheibe nach innen, dort gibt es eine leere Theke, einen Kühlschrank und einen aufgeklappten Wäscheständer. Es kommt nichts hinzu, es verschwindet nichts. Menschen habe ich darin noch nie gesehen.
Ob dort etwas geschieht und wenn ja, was – das weiß ich nicht. Der Laden jedenfalls ist hell und still, er ist immer sauber. S. hat mir einmal erzählt, dort würde früh am Morgen das türkische Brot für das ganze Viertel hergestellt. Aber S. hat auch behauptet, die hellen Rechtecke, die über dem Wäscheständer hängen, seien Fladenbrote, die dort trockneten. Tatsächlich handelt es sich aber um Geschirrtücher, weiße, oft gewaschene, die vermutlich jeden Morgen erneut zum Trocknen aufgehängt werden oder schon seit Jahren dort unbewegt hängen. Dürfte ich ein Attribut nennen, das ich mit diesem Laden verbinde, es wäre Reinheit.

No comments:

Post a Comment