Wednesday, October 20, 2010

#198, Laub im Flur (Achim)

Kommen Sie rein, lassen Sie die Schuhe an, und lassen Sie die Tür ruhig auf, das Laub wird in den Flur wehen, ich habe nichts dagegen. Sie reicht mir ihre knochige Hand. Ich will den Gruß schon lösen, doch sie hält mich fest, spricht noch ein paar Worte und zieht mich dann hinein in das Haus. Die Wohnung könnte die meiner Oma sein, bescheiden eingerichtet, ordentlich, dennoch Zeichen von Wohlstand und in Anstand gelebter Bildung. Vivaldi sagt sie, hätte er gemocht. Sie seufzt leicht. Ich bin gespannt auf den Rest. Ich trage die erste Kiste zum Auto, den Weg entlang der Wiese mit den alten Bäumen. Im Nachbarhaus sehe ich im Licht des Wohnzimmers eine ebenfalls greise Dame hinter ihrem Laptop sitzen, umringt von peinlich gepflegten Zimmerpflanzen – ein sonderbares Bild. Und beim Abschied sehe ich tatsächlich ein paar herbstliche Blätter im Flur. Ich habe die Dame im Verdacht, sie selbst verstreut zu haben, denn ich habe keinen Wind bemerkt, der sie hineintragen könnte. Ich komme erneut an dem Fenster vorbei. Die greise Frau hebt ihren Kopf und strahlt mich an. Und wie verwandelt sehe ich staunend in das Gesicht einer jungen Frau, einer Schönheit mit gelocktem hellblondem Haar.

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