Tuesday, November 9, 2010

#200, Warmer Novemberabend am Kottbusser Tor (Achim)

Kaum spüre ich die Wärme des Raumes, da flüstert links unten eine junge Frau: Sind Sie der Musiker? Ich bemerke den Clubsessel und ihr überpudertes Gesicht, sehe Gäste, junge Leute, deren Kleider akademische Verwegenheit zeigen wollen. Eine Frau mit Mikro am Tresen spricht von einem Roman mit Potential. Ich wende in der Tür und behalte den Hut auf, schleiche zurück durch die zugige Kälte. Im Eingang zum Schacht begegnet mir eine Mutter mit Kind, den Pitbull an langer Leine. Die Mutter blickt rastlos, suchend, eingefallene Wangen, strähniges Haar, wenig los hier, die Junkies sind dünn gesät heute Abend. Ich setzte mich, strecke die Beine, warm hier, November, wie sonderbar! Ich lasse den ersten Zug fahren, den zweiten. Ein Araber wirft eine Flasche gegen die Wand, brüllt „Hure!“, die Wartenden weichen aus. Ich lasse den dritten Zug fahren, den vierten, blicke an die Wand, die Reklametafeln sind rausgerissen, der Bereich um das Schild „Kottbusser Tor“ wartet auf neuen Putz, weiter unten eine Nummer, Kurve 4223. Ich sehe den Säufern zu, einer läuft auf und ab, kickt Glasscherben auf das Gleis. Ich lasse die fünfte Bahn fahren, die sechste, warte, bis eins der jungen Gesichter hier auftaucht, und wage einen zweiten Versuch.

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