Sunday, December 19, 2010

#200, Topfenstrudel (Achim)

Der Baum, das ist das Bild, das erklärt, wie ein Wort funktioniert: Ein bestimmter Klang, eine Vorstellung, und dazu vielleicht eine Erinnerung an einen bestimmten Baum, mal an eine knorrige Eiche neben der Kirche und mal an Pappeln, im Winter an Pappeln im Schnee, im Frühjahr an schneiende Pappeln, im Herbst an Pappeln im Wind. Oder ich erinnere mich an eine gefällte märkische Kiefer mitsamt Waldarbeiter und Kettensäge, mit Motorengeräusch und Kommandos, das Weite zu suchen wenn der Baum fällt. Und wenn ich erzähle, gut erzähle, dann wird das Bild vom Baum lebendig – so könnte man meinen.

Manchmal, in seltenen Fällen, gerät dieses Bild vom Wort ins Wanken. Gestern zum Beispiel ließ ich mir erklären, wie der Blätterteig des Topfenstrudels so gut aufgehen konnte. Der Teig kommt aus dem Supermarkt, kein Geheimnis, er gelingt immer. Aber wenn man zwei Strudel nebeneinander legt, dann stützen sie sich im Ofen gegenseitig. Ich betrachtete das Backblech mit den Kuchen und freute mich, und ich fand den Kuchen, so wie er da lag, schön. Das, was ich sah, färbte ab, und zwar auf ein Wort, auf das, was ich mit „Stütze“ in Zukunft meinen werde: Zwei gelungene Topfenstrudel, die nebeneinander auf einem Backblech liegen.

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