Tuesday, January 11, 2011

#200, Die Grenzen des Schwäbischen Reiches (Achim)

Als Kind habe ich gelernt die Schwaben zu hassen. Sie wohnten nördlich von Kempten und waren für die Autoschlangen durch das Allgäu verantwortlich, insbesondere die nach Füssen hinein. Nur ihretwegen musste eine Umgehungsstrasse her. Wären sie in Schwaben geblieben hätten alle ihre Ruhe. Die nördliche Grenze des schwäbischen Reiches kannte ich nicht - sie lag ebenfalls nördlich von Kempten.

In Berlin habe ich sie gefunden, die nördliche Grenze: Die Bornholmer Strasse. Ich lebe knapp hinter der Grenze und liebe das Niemandsland, den Schuttberg namens „Brenner“ und die eine Stelle am Hang, von der man damals den Westen sehen konnte. Südlich wohnen die Schwaben mit Kinderwagen und harter Faust, nördlich die giftigen Kassiererinnen mit Berliner Schnauze. Seit Jahren laufe ich hier nachts Streife: Die Grenze ist sicher. Im Niemandsland stehen alte Botschaftsgebäude, die nach Jahren des Leerstandes nun neu gestrichen wurden. Die Fahnenmasten stehen noch. Zum Mauerstreifen nach Westen hin ziehen sich Kleingärten, und nördlich der Esplanade beginnt der Osten, das Gebiet, von dem die Schwaben erzählen sollen, wenn sie gen Süden fahren. Mitten im Niemandsland steht die Cubanische Botschaft, versteckt und vital, und nur wer nach Cuba will verirrt sich hierher - eine friedliche Ecke, einladend grau, still und vergessen.

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