Friday, April 16, 2010

#192, Die Schönheit der Zeit-Sektoren meiner Wohnung

Diese Wohnung ist eigentlich ziemlich groß. Ich benutze täglich alle Räume, ausfüllen kann ich sie aber nicht. Will ich auch gar nicht.
Ich gehe umher und betrete das eine Zimmer und dann das andere, ich tue ein paar Schritte, drehe mich, bringe meine Pläne mit mir, meine Gedanken, auch meinen Tagesablauf, gehe noch schnell hierhin und dorthin. Hinter mir weht die aktuelle Zeit ins Zimmer, Brise, Lüftchen.
Aber weil die Wohnung größer ist als der Raum, den ich ohne Mühe ausfüllen kann, bleibt Platz übrig. Um die Mitte des Zimmers sammeln sich kreisrund die Tage, Wochen lümmeln herum, ganze Monate.
Man sieht es an den Dingen, die unter der Zeit lagern. Diese Flasche Bier hat ein Besuch vor Wochen auf dem Balkon stehen lassen. Auf diesem Buch hat jemand vor 14 Tagen einen Kaffee ausgeschüttet. Diese Schrauben haben Freunde vorgestern auf dem Tisch verteilt. Ich beeile mich nicht, diese Spuren von Vergangenem zu beseitigen.
Im Gegenteil. Manchmal ziehe ich los, auf Expedition in die verschiedenen Zeit-Sektoren meiner Wohnung. Ich bewundere ihre Architektur und betrete sie übergangslos, indem ich ein fleckiges Buch zur Hand nehme, das ich seit Wochen nicht mehr angefasst habe.

No comments:

Post a Comment