Wednesday, August 11, 2010

#200, Den Resten eine Chance

Eine dieser Kreuzberger Kneipen: Nicht schick, nicht edel, nicht teuer, aber auch keine Bierkneipe, weder modisch-vergammelt noch richtig-vergammelt. Eine dieser Kneipen, die zu beschreiben fast unmöglich ist, weil die Adjektive fehlen. Weil das Wort normal sofort in eine Vielzahl kleinster Teile zerfällt, sobald man mit dem Finger daran stupst.
Eben eine dieser Kreuzberger Kneipen, in der sich die Nachbarschaft trifft.
Da wäre der Mann um die 40 mit dem enormen Bierbauch, der jeden Gedanken an Sex sofort krank wirken lässt. Der Mann mit dem T-Shirt Too old to die young. Die Frau mit den vielen Plüschtier-Anhängern an der Umhängetasche. Dazu zwei Alkoholiker und das Pärchen, das auf der hinteren Bank sitzt und knutscht.
Dies ist keine Bühne, dies ist ein erweitertes Wohnzimmer.

Auf die Musik habe ich zuvor nicht geachtet, aber dann kommen einige Stücke von The Element of Crime. Ich kenne sie nicht, sie müssen von den neueren Alben stammen, und plötzlich wird die ganze Szene rund. Die Details, Too old to die young, die halbleeren Krüge, die Plüschtier-Anhänger, gewinnen an Schärfe, wollen eine Aussage machen.
Musik und Bild ergeben ein Ganzes, erhöhen sich gegenseitig, ernähren sich von einander.
Das ist Kunst, ohne Intention, ohne Künstler, aber mit Publikum.

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