Wednesday, October 13, 2010

#197, Genius loci

Heute bin ich mal wieder durch mein Viertel gelaufen, von vorne nach hinten. Vorne sieht es schon aus wie das, wozu sich Berlin allerorten zu entwickeln scheint, fast so als handele es sich dabei um ein Naturgesetz, dem die Stadt sich allzu lange widersetzen musste, um jetzt seufzend nachzugeben: Da ist der Bio-Supermarkt, die kleinen Geschäfte der unabhängigen Fashion-Artists, da sind Kneipen, Spelunken und Bars, und seit kurzem auch ein gut sortierter Buchladen.
Je weiter ich die Weserstraße hinuntergehe, desto häufiger sieht man abgeranzte Second-Hand-Möbelläden, desto öfter finden sich ausgeschlachtete Fernsehgehäuse unter den Bäumen, desto weniger alternativ gekleidete Muttis schieben ihre Kinderwägen. Gruppen marodierender kleiner Jungs schieben sich stattdessen, einander die Ellbogen in die Seiten stoßend, auf dem Sportplatz herum.
Schon fast zu Hause, fahren zwei Typen in Perücken an mir vorbei, die langen blonden Plastikhaare fliegen im Wind. Beide tragen Frauenkleidung mit mokanten Strümpfen und sind stark geschminkt. Der Hintere stimmt ein Lied an, Niemals will ich von dir gehen...
Ich lächele, als die Beiden vorbeikommen, schon sind sie weg, doch das Lächeln bleibt noch ein wenig, und ein ebensolches Lächeln finde ich auch im Blick des älteren Arabers, der mir jetzt entgegenkommt, ganz ohne Häme.

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