Tuesday, October 26, 2010

#199, Die Geigenvirtuosin (Achim)

Schon seit Jahren kenne ich sie. Sie steht jetzt am Eingang zum Markt, doch schon früher ist sie mir aufgefallen, wo, das habe ich vergessen. Sie scheint ein einfaches altes Mütterchen aus Rumänien zu sein, das mit der Geige als letztem Wert vor Jahren nach Berlin kam, alleine. Jahrelang hat sie aus der Geige keinen sauberen Ton herausbekommen, wackelt im Klang zäh und zaghaft um verschwommene Vierteltöne, ohne dabei eine Melodie im Sinn zu haben, ohne Noten sowieso, einfach nur lauschend, wie das, was sie macht, klingt. Dennoch sammelten sich ein paar Münzen vor ihren Füssen. Vielleicht spielt sie absichtlich so, um die Ausweglosigkeit ihre Lage zu betonen, vielleicht meidet sie auch nur jede Melodie. Oder sie gehörte zur rumänischen Avantgarde, deren Musik noch unbekannt verboten wurde, und nun probt sie in Berlin mit neuem Publikum. Viele tausend Menschen werden sie schon kennen. Abends läuft sie über den Markt, gelassen und mit ernstem Gesicht, wie ein müder Star, schaut nicht nach Handys, Markenklamotten oder Küchenutensilien. Sie nickt mir zu, Woche für Woche, und verschwindet mit den Händen in den Taschen. Wenn ich ihr nachblicke bin ich stolz sie zu kennen, und ich bewundere das, was sie zu leisten vermag.

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