Tuesday, January 4, 2011

#189, Auf das Lesen

Soweit ich mich an meine Kindheit erinnere, erinnere ich mich darin lesend. Ich weiß, ich habe als Kind auch andere Dinge getan: Verstecke im Wald gebaut, Kröten wieder belebt, einmal hätte ich fast das Haus abgefackelt.
Aber im Großen und Ganzen glaube ich, mehrere Jahre einfach verlesen zu haben. Freundschaften gingen daran zugrunde, dass meine Grundschul-Freundinnen lieber spielen wollten, als stille Lesezirkel abzuhalten.
Über Literatur zu sprechen fand ich dagegen immer albern; ich war eine höchstens mittelmäßige Germanistik-Studentin, geradezu unwillig im Zerstückeln der Texte. In diesen vier Jahren habe ich die Bücher beiseite gelassen und bin lieber auf Partys gegangen.
Dagegen war ich eine recht gute Buchhändlerin. Zwei Drittel der Bücher in meinem Laden kannte ich und konnte sie nach rein lese-praktischen Gesichtspunkten beurteilen, man liest sich schnell ein, es zieht sich zunächst etwas, es hat ein überraschendes Ende, oder: der Autor hat eine wunderbare Sprache.
Heute lese ich wieder zum Vergnügen. Ich lese, wenn ich mich nicht mehr aushalte. Wenn ich mich entspannen will. Wenn ich auf der Suche nach Inspiration bin. Andere Leute gehen zum Analytiker, zur Yoga-Klasse, nehmen Drogen: Ich lande immer wieder bei den Geschichten.

2 comments:

  1. Kröten wieder belebt?

    Da wollen wir mehr von wissen!

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  2. Mhm, ein Rätsel meiner Erfahrungen in Germanistik-Seminaren löst sich. Warum haben die Germanistik-Studenten nie die Lektüren gelesen, haben nur widerwillig in den Seminaren mitgearbeitet? Nur die Nebenfächler waren bei der Sache, die Volkwirte, Informatiker, Physiker redeten mit. Die Scheu brachte die Germanisten zum Schweigen und lies sie die Lektüre verweigern, die Scheu all die schönen Texte zu zerreden.

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