Wednesday, January 5, 2011

#199, Einmal Gerüstbauer sein (Achim)

In den Bäckereien sitzen morgens um Zehn die Arbeiter und essen Schrippen. Sie kennen die Angestellte - und sie wiederum kennt die Jungs vom Bau, scherzt mit Ihnen und antwortet spitz auf derbe Flirtattacken. Sobald ich an der Reihe bin ändert sich ihre Miene – aus meinem Mund scheinen die Wörter wie „bitte“, „eins“, „zwei“, „Schrippe“, „Vollkorn“ eine völlig neue Bedeutung zu haben. Sie lauscht und hält die Hand an das Ohr, und fast immer muss ich meinen Wunsch wiederholen. Hinter mir hält schon ein Gerüstbauer seinen Scherz parat, und schon wenn sie mir die Schrippen reicht ist ihr Gesicht bei ihm. Gestern hatte ich Arbeit, zwanzig Kisten Platten, irgendwo am Niederrhein. Auf der Rückfahrt mache ich Rast, betrete eine Bäckerei in einen Supermarkt in Rheinberg, bestelle Kaffee und zwei Brötchen – und siehe da, ich ernte ein frohes Gesicht. Am Tisch sehe ich mit müden Armen den Leuten an der Kasse zu, versuche herauszufinden, wer Arbeiter ist und wer nicht, und wen die Kassiererin auf Anhieb verstehen wird - so wie bei Touristen, deren Heimatland ich erraten will. Ich bin müde, aber gelassen, und seit langem mal wieder sicher: Die Angestellte wird mich verstehen, wenn ich einen zweiten Kaffee will.

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